Das Restless Legs Syndrom hat einen besonderen Stellenwert in der Schwangerschaft, denn die Häufigkeit ist währenddessen erhöht.


Außerdem sind die Beschwerden meist gravierender und verursachen einen erheblichen Leidensdruck bei den betroffenen Frauen, was wiederum Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf haben kann. Und auch das Risiko für das Wiederauftreten eines RLS nach der Schwangerschaft ist dadurch erhöht. In dieser besonderen Lebensphase muss die Frau verlässlich über den zu erwartenden Erkrankungsverlauf aufgeklärt und individuell zu Therapieoptionen beraten werden, und zwar unter einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung.

Häufigkeit und Verlauf

Das RLS betrifft ca. 10 – 34 % der schwangeren Frauen und ist somit um ein Zwei- bis Dreifaches häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. In der Regel beginnen die Symptome im zweiten Schwangerschaftsdrittel (Trimester/ Trimenon) und gipfeln im dritten. Auch bei Schwangeren greifen die allgemeinen Diagnosekriterien: unangenehme Missempfindungen vor allem in den Beinen mit Bewegungsdrang (1), zunehmend in Ruhe (2), sich bessernd durch Bewegung (3) und verschlechtert am Abend (4). Davon abzugrenzen sind andere Umstände, die RLS-ähnliche Beschwerden hervorrufen können, wie z. B. Muskelkrämpfe, venöse Stauung, Wassereinlagerungen in den Beinen, falsche Lagerung oder Nervenkompression bzw. -überdehnung.

Erfreulicherweise bilden sich die Beschwerden in den meisten Fällen direkt und bis vier Wochen nach der Entbindung spontan zurück. Allerdings ist das Risiko für eine Chronifizierung des RLS nach erstmaligem Auftreten fast um ein Vierfaches erhöht. Auch die Wahrscheinlichkeit, ein RLS in der nächsten Schwangerschaft zu entwickeln, ist um ca. 30 % erhöht. Frauen, die schon vorher ein RLS haben, erfahren oftmals eine Verschlechterung ihrer Beschwerden während der Schwangerschaft.

Ursachen und Folgen

Die genauen Mechanismen der Krankheitsentstehung während der Schwangerschaft sind noch unklar, doch es wird ein Zusammenspiel aus genetischer Prädisposition, tageszeitlichen Schwankungen des Dopaminspiegels sowie einem Eisenmangel im zentralen Nervensystem diskutiert. Mit der Anzahl der Geburten steigt das Risiko für ein RLS in der Schwangerschaft. Währenddessen steigt nämlich der Bedarf an Eisen und Folsäure zur Blutbildung und Sauerstoffversorgung des Fötus, sodass die Eisenspeicher im Körper, einschließlich des Gehirns, vermehrt beansprucht werden. Bei mehreren Geburten hintereinander sind die Eisenspeicher dann ausgeschöpft und nicht schnell genug wieder aufgefüllt. Und auch hormonelle Veränderungen werden als Trigger für ein RLS diskutiert, denn korrelierend mit der Dynamik der RLS-Beschwerden steigen die Prolaktin-, Östrogen- und Progesteronwerte im Laufe der Schwangerschaft an, erreichen einen Höhepunkt im dritten Trimenon und fallen mit der Entbindung wieder ab. Möglicherweise beeinflussen diese Hormone den Dopamin-Stoffwechsel und provozieren dadurch ein RLS. Generell scheinen die massiven physiologischen Umstellungen im Rahmen einer Schwangerschaft die Schwelle für den Ausbruch eines RLS zu senken, wenn zudem noch eine genetische Veranlagung vorliegt.

Neben den langfristigen Folgen des RLS, etwa einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv oder Chronifizierung, kann auch der Schwangerschaftsverlauf selbst dadurch beeinträchtigt werden. Ein- und Durchschlafstörungen kommen vor und erhöhen auch das Risiko für depressive Verstimmungen und verminderte Lebensqualität. Außerdem ist eine reduzierte Schlafdauer und -qualität mit einer erhöhten Rate an Kaiserschnitten assoziiert. Schwangere Frauen mit RLS tragen ein höheres Risiko für eine Präeklampsie, eine schwerwiegende Schwangerschaftskomplikation, die mit Bluthochdruck und vermehrter Eiweißausscheidung im Urin einhergeht.

Therapie

Vor einer speziellen Behandlung sollten schwangere Frauen über den typischen Krankheitsverlauf informiert sein, also darüber, dass die RLS-Beschwerden im dritten Trimester ihren Höhepunkt erreichen, aber oft schon bald nach Entbindung spontan nachlassen. Ein solches Aufklärungsgespräch hilft, Ängste und Sorgen der Patientinnen abzubauen und ihre Behandlungsoptionen differenzierter abzuwägen. Grundsätzlich birgt jede Schwangerschaft ein allgemeines Risiko von 3 – 5 % für angeborene Missbildungen, doch während der Embryonalentwicklung im ersten Trimester sollte eine Medikation möglichst gemieden werden. Die Notwendigkeit einer pharmakologischen Behandlung richtet sich nach dem subjektiven Leidensdruck der Patientinnen. Wenn moderate bis schwere RLS-Beschwerden an mindestens zwei Tagen pro Woche bestehen und die Lebensqualität wesentlich beeinträchtigt ist, kann eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein – dies ist bei ca. einem Drittel der von RLS betroffenen Frauen der Fall.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Allerdings bilden eher nicht-medikamentöse Maßnahmen die therapeutische Grundlage, da keine relevanten Nebenwirkungen von ihnen ausgehen und sie sich günstig auf den allgemeinen Schwangerschaftsverlauf auswirken. Zunächst sollten Faktoren beseitigt werden, die ein RLS verstärken können, wie z. B. der Konsum von Tabak und Alkohol, aber auch bestimmte Psychopharmaka aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Bei einer behandlungsbedürftigen Depression kann Bupropion erwogen werden. Eine obstruktive Schlafapnoe sollte gezielt behandelt werden, da sie die RLS-Symptome verstärken und Schwangerschaftskomplikationen auslösen kann. Körperliche Aktivitäten in moderater Intensität wie z. B. Yoga haben einen günstigen Effekt, exzessives Training hingegen kann durch Schmerztriggerung ein RLS verstärken und Sport kurz vor dem Schlafengehen kann das Einschlafen erschweren. Massagen und pneumatische Kompressionen können RLS-Beschwerden lindern und gleichzeitig venösen Stauungen und Beinvenenthrombosen vorbeugen. Von starker Hitze (heiße Vollbäder, Saunagänge) wird abgeraten, da ein Zusammenhang mit dem gehäuften Auftreten von Neuralrohrdefekten bei Ungeborenen diskutiert wird.

Eisenergänzung

Eisenmangel spielt eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung des RLS, daher gehört die Bestimmung des Eisenhaushalts im Blut zur Routineuntersuchung. Ferritin und Transferrinsättigung sind dabei Marker zur Einschätzung des Eisenspeichers. Der Ferritin-Wert sinkt zur Mitte der Schwangerschaft durch den Verbrauch des Fötus um 50 %. Eine Eisensubstitution bei Schwangeren mit RLS sollte bereits bei Ferritin-Werten von unter 75 µg/l angestrebt werden – somit ist dieser Richtwert strenger als bei Schwangeren ohne RLS. Da Ferritin im Rahmen von Entzündungsprozessen falsch-positiv erhöht sein kann, wird auch die Transferrinsättigung hinzugezogen, die bei unter 45 % auf einen relativen Eisenmangel hinweist. Die bevorzugte Behandlung sind Eisentabletten alle ein bis zwei Tage, was in der Schwangerschaft und Stillzeit als sicher eingestuft wird. Unklar ist der Nutzen einer Vitamin-C-Ergänzung zur Steigerung der Eisenresorption bei Schwangeren. Nach sechs bis acht Wochen sollte der Ferritin-Wert kontrolliert werden – falls die Behandlung mit Eisentabletten versagt und der Ferritin-Spiegel weiter unter 30 µg/l bleibt, kann ab dem zweiten Trimester eine intravenöse, nachweislich gut verträgliche Eisentherapie durchgeführt werden. Dennoch ist das Risiko für Überempfindlichkeitsreaktionen zu berücksichtigen. Und auch wenn es Hinweise darauf gibt, dass intravenös verabreichtes Eisen kaum in die Muttermilch übertritt, liegen nur wenige Daten zur Anwendung von Eiseninfusionen während der Stillzeit vor.

Dopaminergika

In der Gruppe der Dopaminergika liegen die meisten Sicherheitsdaten für Levodopa/Carbidopa vor. Es gibt bei diesem Medikament keine Hinweise auf eine erhöhte Rate an Missbildungen oder relevante Schwangerschaftskomplikationen, sodass es vorzugsweise in retardierter Formulierung und niedriger Dosis (100/25 mg bis 200/50 mg) zur Nacht erwogen werden kann. Levodopa in Kombination mit dem alternativen Dopamin-Abbauhemmer Benserazid sollte in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden, da eine Beeinträchtigung des fetalen Knochenwachstums im Tierexperiment beobachtet wurde. Aufgrund begrenzter Sicherheitsdaten für die Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin) ist deren Einsatz während der Schwangerschaft kritisch zu prüfen. Generell hemmen alle Dopaminergika die Ausschüttung von Prolaktin, einem Hormon, welches die Milchproduktion anregt – daher werden sie in der Stillzeit nicht empfohlen. Nach Absetzen der Medikation setzt die Prolaktinausschüttung jedoch zügig wieder ein.

Alpha-2-Delta-Liganden

Alpha-2-Delta-Liganden wie Gabapentin und Pregabalin können außerhalb der Schwangerschaft bei chronischem RLS eingesetzt werden, sind aktuell in Deutschland jedoch nicht dafür zugelassen und müssen daher off-label verschrieben werden. Da Alpha-2-Delta-Liganden auch eine antiepileptische Wirkung haben, stammen die Sicherheitsdaten vor allem aus Epilepsiestudien. Im Tierversuch war die Gabe von hohen Dosen von Gabapentin mit einem erhöhten Risiko für eine gestörte Entwicklung von Nervenzellen verbunden. Leider fehlen Studien mit realistischerem Design, um die Sicherheit der Anwendung in der Schwangerschaft besser abschätzen zu können, allerdings ist währenddessen von einer Behandlung mit Alpha-2-Delta-Liganden insgesamt abzuraten. Sollte Gabapentin dennoch während der Schwangerschaft gegeben werden, empfiehlt sich ein zusätzlicher Schutz mittels begleitender Folsäuresubstitution. Ein geringer Anteil des Medikaments (1 – 4 %) geht in die Muttermilch über, doch bei moderater Dosierung von 300 – 900 mg wurden keine relevanten Nebenwirkungen für das Neugeborene berichtet. Pregabalin wird aufgrund der unzureichenden Datengrundlage nicht für die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen.

Benzodiazepine

Benzodiazepine sind in der Schwangerschaft kritisch zu sehen, stellen aber in schweren RLS-Fällen mit ausgeprägter Schlafstörung eine Alternative ab dem zweiten Trimenon und in der Stillzeit dar. Im ersten Trimenon wird davon abgeraten, da gehäuft orofaziale Spaltbildung (z. B. Gaumenspalte) beobachtet wurde. Benzodiazepine sollten auch nicht zusammen mit Antihistaminika oder anderen Antiepileptika eingenommen werden. Am besten untersucht ist Clonazepam, das niedrigdosiert mit 0,25 mg bis zu 1 mg gegeben werden kann, weniger als 5 % findet sich davon in der Muttermilch wieder. Frühere Berichte über beeinträchtigte Atmung, Müdigkeit und Trinkschwäche des Neugeborenen ließen sich in nachfolgenden Untersuchungen nicht bestätigen. Schlafmedikamente wie Zolpidem oder Zopiclon sollten aber aus Sicherheitsgründen gemieden werden.

Opioide

Opioide sind den schwersten RLS-Fällen vorbehalten, wenn man also die Beschwerden trotz nicht-medikamentöser Maßnahmen, ausreichendem Eisenstatus und mindestens einer nicht-opioiden Medikation nicht genug kontrollieren kann. Aus der Schmerz- und Suchttherapie gibt es zahlreiche Daten zu Opioiden in der Schwangerschaft. Hier ließen sich keine eindeutigen fruchtschädigenden Effekte nachweisen, obwohl einige Studien auf eine erhöhte Rate für Geburtsdefekte wie angeborene Herzfehler hindeuten. Vor allem ein längerfristiger Opioidgebrauch in der Schwangerschaft kann Atemstörungen und Entzugserscheinungen beim Neugeborenen verursachen. Im zweiten und dritten Trimester kann nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung Oxycodon in niedriger Dosis (5 – 20 mg) zur Nacht eingesetzt werden. In der Stillzeit wird eher Tramadol bevorzugt, auch wenn dies in geringen Mengen in die Muttermilch übergeht. Die Dosierung sollte auf 50 – 100 mg täglich begrenzt werden.

Zusammenfassung

RLS stellt in der Schwangerschaft eine besondere Herausforderung dar, da es während dieser Zeit häufig vorkommt und sich ungünstig auf den Schwangerschaftsverlauf auswirken kann. Bevor ein gemeinsames Therapiekonzept erstellt wird, sollte der Patientin der Krankheitsverlauf gut vermittelt werden, um die Behandlung und den Zeitpunkt kritisch zu wählen. Nicht-medikamentöse Maßnahmen sind grundlegend zu bevorzugen und die Sicherung eines ausreichenden Eisenstatus ist wesentlich. Eine pharmakologische Behandlung sollte möglichst bis zum zweiten Trimenon hinausgezögert werden und in möglichst niedriger Dosis erfolgen. Levodopa/Carbidopa oder Clonazepam können während der Schwangerschaft eingesetzt werden, Oxycodon nur in schweren Ausnahmefällen. In der Stillzeit kommen Gabapentin, Clonazepam oder, in sehr schweren Fällen, Tramadol nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung in Betracht. Die Sicherheitsdaten für Medikamente in der Schwangerschaft und Stillzeit sollten deutlich erweitert werden, um in Zukunft eine bessere Grundlage für die therapeutische Beratung zu schaffen.