Interview mit Dr. Katharina Glanz, Leiterin RLS e. V.

Quelle: NAKO Gesundheitsstudie/aktuelles

Sehr geehrte Frau Dr. Glanz, was versteht man unter Restless Legs Syndrom ?

Das Restless Legs Syndrom ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Schmerzhafte Missempfindungen und ein ausgeprägter Bewegungsdrang der Beine sind charakteristische Symptome. Die Beschwerden treten dann auf, wenn der Körper zur Ruhe kommt. Sie sind am Abend oder in der Nacht stärker als am Tag oder treten nur abends auf. Bei vielen Patienten kommt es zudem zu unwillkürlichen Beinbewegungen im Schlaf, so dass nicht nur die Ein-schlaf-, sondern auch die Tiefschlafphase gestört ist. Der ständige Drang, sich zu bewegen, kann sehr belastend sein und zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen. Denn auf-grund der Beschwerden ist an ausreichend Schlaf nicht zu denken.
Beim RLS kann man durchaus von einer Volkskrankheit sprechen. 5 bis 10 % der Bevölkerung sind betroffen, Frauen häufiger als Männer. Meist tritt das RLS im mittleren Lebensalter auf, mitunter auch schon in jungen Jahren. Bei ca. 3 % der Betroffenen ist das RLS behandlungs-bedürftig. Die Diagnose erfolgt anhand der subjektiven Beschwerden. Es können jedoch auch ein L-Dopa Test oder eine Untersuchung im Schlaflabor durchgeführt werden.
Noch ist die Ursache des RLS nicht geklärt. Sicher ist jedoch, dass die Funktion des Nervenbo-tenstoffs Dopamin gestört ist. Möglicherweise spielt auch der Eisenstoffwechsel eine beson-dere Rolle. Viele Betroffene kennen weitere Fälle in der Familie, so dass man von einer ge-netischen Veranlagung ausgehen kann. Als sogenanntes sekundäres RLS können die Be-schwerden aber auch Folge einer anderen Erkrankung, etwa einer reduzierten Nierenfunkti-on, sein. Auch bei Schwangerschaften, rheumatischer Arthritis, Eisenmangel und bestimmten Medikamenten kann ein RLS auftreten.

Warum ist das RLS Ihrer Meinung nach in der Bevölkerung noch zu wenig bekannt?

Experten schätzen, dass bis zu zehn Prozent der Erwachsenen am Restless Legs Syndrom lei-den. Damit ist das RLS eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, aber lange nicht so bekannt wie etwa das Parkinson-Syndrom.
Oft können die Betroffenen ihre Beschwerden nicht einordnen, und das Umfeld begegnet ihnen mit Unverständnis. Viele gehen auch erst dann zum Arzt, wenn sich die mit dem RLS verbundenen Schlafprobleme manifestieren und deren Folgen wie Tagesmüdigkeit oder Kon-zentrationsstörungen die Lebensqualität zu beeinträchtigen beginnen. Dann werden aber häufig nur die Schlafprobleme behandelt.
Zum Teil wissen auch die Hausärzte noch viel zu wenig über das Syndrom der unruhigen Bei-ne. Häufig werden Fehldiagnosen wie psychosomatische Beschwerden oder Neuropathie gestellt. Manchen Betroffenen wird gar unterstellt, sie würden an einer „Befindlichkeitsstö-rung“ leiden oder das RLS wird als Modekrankheit abgetan.
Experten gehen davon aus, dass die Symptome bei rund einem Viertel der Patienten vom Hausarzt nicht erkannt werden. Das ist einer der Gründe, warum es so lange dauert, bis die Krankheit richtig diagnostiziert wird. Aus Berichten von Betroffenen wissen wir, dass manche eine wahre Odyssee durchleben und dass vom ersten Auftreten der Beschwerden bis zur Diagnose mehrere Jahre vergehen können.

Warum ist die NAKO Gesundheitsstudie für die Deutsche Restless Legs Vereinigung wichtig?

Mit einer Prävalenz von bis zu zehn Prozent der Erwachsenen kann man bei Restless Legs Syndrom durchaus von einer Volkskrankheit sprechen. Die genauen Ursachen des RLS sind jedoch noch nicht bekannt. Allerdings es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Faktoren des Lebensstils eine Rolle bei der Entwicklung des RLS spielen könnten. Die genauen Zusammen-hänge hinsichtlich der Wirkung und Bedeutung dieser Risikofaktoren, ihrer möglichen ur-sächlichen Zusammenhänge und der Wechselwirkungen mit der genetischen Variabilität sind allerdings noch unklar.
Die Beantwortung dieser Fragen ist eine wichtige Voraussetzung, um die Krankheitsrisiken, aber auch mögliche schützende Faktoren besser verstehen zu können. Hier setzt die Arbeit der NAKO Gesundheitsstudie an. Ihr Fokus liegt nicht nur auf den sogenannten Volkskrank-heiten, sondern diese Studie ist mit 200 000 TeilnehmerInnen sowie einer standardisierten Da-tenerhebung auch repräsentativ. Mit Hilfe von Informationen und Daten wie etwa zu Lebens-stil, Umwelteinflüssen und sozialen Lebensumständen hat die NAKO Gesundheitsstudie das Potenzial, dringliche Fragen auch zum Restless Legs Syndrom beantworten und so einen ent-scheidenden Beitrag zu einer möglichen verbesserten Vorbeugung und Behandlung dieser Erkrankung liefern zu können.

Was erhoffen Sie sich für die Betroffenen von der Studie?

Im Unterschied zu der großen Zahl an Studien zum Restless Legs Syndrom auf den Gebieten der Grundlagenforschung, Genetik und Klinik ist die Zahl prospektiver Bevölkerungsstudien zum RLS noch relativ klein. Vor diesem Hintergrund ist die NAKO-Gesundheitsstudie von gro-ßer Bedeutung für die vom Restless Legs Syndrom Betroffenen. Denn die Studie lässt nicht nur durch eine Beschreibung der Häufigkeiten und vielfältigen Auswirkungen die Krankheits-last und Krankheitsbedeutung erkennen, sondern sie leistet mit der Identifizierung möglicher Risikofaktoren auch einen Beitrag zur Ätiologie und kann mögliche Behandlungswege auf-zeigen. Sollten sich die Risikofaktoren eventuell einer Verhaltensänderung zugänglich zei-gen, könnte der Betroffene individuell die Auswirkungen der RLS-Erkrankung auf seinen Alltag beeinflussen und seine Lebensqualität aktiv positiv beeinflussen. Das wäre für den Einzelnen eine enorme Chance.

Vielen Dank für das Interview Frau Dr. Glanz.

Gesudheitsstudie Restless Legs Syndrom - Interview mit Dr. Katharina Glanz von NAKOS